Interview mit Laura Fazio
Laura Fazio war 32 Jahre alt, als sie 2023 die Diagnose Brustkrebs bekam – und musste aufgrund ihres jungen Alters neben der Bewältigung von Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten zwischen OP und Chemobeginn in kürzester Zeit auch noch die Frage nach einem späteren Kinderwunsch für sich beantworten. Vor welche medizinischen und psychischen Herausforderungen sie durch diese Entscheidung plötzlich gestellt wurde, hat Laura uns im Interview verraten.
Vor welchen Herausforderungen stehen junge Frauen mit Kinderwunsch, die an Brustkrebs erkrankt sind?
Aus meiner Sicht: vor recht vielen. Ich hatte schon immer, und habe auch heute noch, einen sehr unklaren Kinderwunsch und trotzdem war dieses Thema mit eines der belastendsten im Rahmen meiner gesamten Krebsbehandlung. Ich war letzten Sommer, als die Diagnose kam, 32 Jahre alt und musste mich innerhalb kürzester Zeit entscheiden, ob ich zwischen Tumor-OP und Chemobeginn noch fertilitätserhaltende Maßnahmen ergreifen möchte oder nicht. Man muss sich ja auch vorstellen, dass nach so einer Diagnose sehr viel auf einen zukommt: Man wird (zum Glück!) umfassend untersucht. Es muss erst einmal herausgefunden werden, ob der Tumor gestreut hat, ob es sich um einen vererbbaren Brustkrebs handelt und damit noch weitere Familienangehörige (wie in meinem Fall meine zu diesem Zeitpunkt hochschwangere Schwester) betroffen sein könnten, welche Behandlungen erforderlich sind, wie die Genesungschancen stehen, usw.
Das allein ist schon heftig. Bei mir kamen noch weitere Herausforderungen, weil das behandelnde Reproduktionszentrum bei der Erstuntersuchung feststellen musste, dass ich Endometriose und Zysten an beiden Eierstöcken hatte. Dadurch hatte ich nur sehr wenige Eizellen und der Weg zur Entnahme war versperrt. Letzten Endes ließ sich auch dieses Problem lösen, aber im ersten Moment war es ein Schock. Noch dazu hatte mich meine Mutter, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt und inmitten ihrer Chemotherapie war, zu diesem Termin begleitet. Das war ein sehr belastender Tag.
Welche Behandlungen/Möglichkeiten kommen für Frauen mit Brustkrebs infrage, um sich auch später noch den Kinderwunsch erfüllen zu können?
Meines (laienhaften) Wissens nach gibt es da drei Möglichkeiten: Zum einen gibt es da die GNRHa-Spritze, die die Eierstöcke während der Chemo lahmlegt, aber auch schützt. Wie gut dieser Schutz ist, und ob er nur während der Chemo oder auch während der Bestrahlung hilft, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Dadurch dass der Eierstock quasi in den Winterschlaf versetzt wird, können die Krebszellen-vernichtenden Therapien die Eizellen wohl nicht so schädigen. Mir wurde jedenfalls schon sehr früh empfohlen, ein Zentrum für Reproduktionsmedizin aufzusuchen, um mich über zwei weitere, noch wirksamere Maßnahmen informieren zu lassen: Die Eizellentnahme und die Eierstockgewebsentnahme. Bei der Eizellentnahme wird empfohlen, vorab eine Behandlung mit Hormonen zu machen, damit sich mehr Eizellen bilden und entsprechend mehrere entnommen werden können. Die Eizellen können dann im befruchteten oder unbefruchteten Zustand eingefroren werden. Bei Patientinnen, deren Krebsbehandlung aus medizinischen Gründen sofort beginnen muss und bei denen keine Zeit für eine Hormonbehandlung bleibt, kann alternativ Eierstockgebewebe, in dem sich unreife Eizellen befinden, operativ entnommen, eingefroren und später wieder eingesetzt werden.
Welche Behandlungen hast du selbst wahrgenommen und welche Schritte waren dafür nötig?
Ich fand alle Behandlungsoptionen offen gesagt medizinisch faszinierend und gleichzeitig persönlich gruselig. Vor allem hat natürlich jede Option ihre Vor- und Nachteile. Bei der Entnahme und dem Wiedereinsetzen von Eierstockgewebe besteht die (sehr geringe) Gefahr, dass Krebszellen mit entnommen und dadurch später wieder in den Körper eingepflanzt werden. Die Vorstellung, Jahre später wieder an Krebs zu erkranken, weil die Zellen wieder eingepflanzt werden, war für mich ein No-Go. Natürlich kann es sein, dass bis dahin das Gewebe verlässlich untersucht und dieses Risiko ausgeschlossen werden kann, aber darauf verlassen wollte ich mich nicht. Bei der Eizellenentnahme ist die Hormonbehandlung das Hauptproblem: Ich habe zum Beispiel einen HER2NEU-triple-positive Brustkrebs und damit einen hormonabhängigen Brustkrebs. Bedeutet: Das schädliche Zellwachstum wird durch weibliche Geschlechtshormone befeuert. Das ist natürlich schlecht, wenn man für die Stimulation im Rahmen der Kinderwunschbehandlung gerade diese Hormonproduktion anregen muss.
Ich habe mich letzten Endes trotzdem für die klassische Kinderwunschbehandlung und Eizellentnahme entschieden und konnte insgesamt 9 unbefruchtete Eizellen einfrieren. Das ist nicht besonders viel, aber auch nicht wenig. Weil ich, wie erwähnt, Zysten an beiden Eierstöcken hatte, musste ich noch eine Bauchspiegelung zwischenschieben, um die Zysten und die Endometriose vor Beginn der Hormonstimulation operativ entfernen zu lassen. Das war im Rückblick wirklich heftig. Zwischen Tumor-Op und Chemobeginn sollten bestenfalls nur 4-6 Wochen liegen. Das bedeutete für mich: Maximal 6 Wochen, um mich von der Tumor-Op zu erholen, die Zysten-Op machen zu lassen, die Hormonstimulation durchzuführen (sprich, sich für 10-14 Tage mehrfach täglich selbst Spritzen zu verabreichen), die Eizellen entnehmen zu lassen und mir einen Port für die Chemo implantieren zu lassen. Aber ich habe es geschafft, bin erleichtert und fasziniert, was der menschliche Körper alles schaffen kann.
Wie hast du selbst die Beratung vor deiner Behandlung erlebt – wurdest du überhaupt aufgeklärt, was die Krebsbehandlung mit der Fertilität machen kann?
Ja, das wurde ich. Aber man ist in dieser Phase so durcheinander, dass ich mich mehrfach aufklären lassen musste. Die Ärzte waren zum Glück alle sehr verständnisvoll und haben mir in Ruhe meine Fragen auch zwei oder drei Mal beantwortet. Noch dazu arbeitet in meinem behandelnden Brustzentrum eine super Case Managerin, die mir, als sie von meinen Unsicherheiten gehört hat, umgehend ein Ratgeberheft mit dem Titel „Kinderwunsch und Krebs“ von der Deutschen Krebshilfe zugeschickt hat. Das Heft ist wirklich sehr gut aufgebaut und hat mir geholfen, alle mündlich kommunizierten Informationen nochmal in Ruhe nachzulesen – und das aus einer verlässlichen Quelle.
Wo bekommen Betroffene Hilfe/Unterstützung/Beratung?
Ich würde mich immer erstmal an das eigene Brustzentrum wenden und nicht überstürzt im Internet recherchieren. Ich bin selbst promovierte Film- und Medienwissenschaftlerin, habe jahrelang im Online Marketing gearbeitet und rate gerade deshalb davon ab, alles unreflektiert zu googeln – besonders, wenn es um medizinische Themen geht. Das eigene Brustzentrum kann einen an beratende Ärzte und Institutionen verweisen, verlässliche Quellen nennen und einen auf Wunsch auch mit Patientinnen vernetzen, die selbst eine Kinderwunschbehandlung mit Krebs durchgeführt haben. Als verlässliche Quellen zum selbst nachlesen habe ich die Deutsche Krebshilfe (von der unter anderem der sehr gute blaue Ratgeber „Kinderwunsch und Krebs“ stammt) und das Deutsche Krebsinformationszentrum wahrgenommen.
Welche Kosten kamen durch die Behandlung auf dich zu bzw. gibt es irgendeine Form der finanziellen Unterstützung speziell für Krebspatientinnen?
Das ist ein recht heikles Thema. Die gute Nachricht ist: Es werden Teile der Kosten übernommen. Die schlechte Nachricht ist: Die Kostenübernahme ist, vor allem beim späteren Nutzen der konservierten Eizellen, an Bedingungen geknüpft.
Wenn man als Brustkrebspatientin eine Kinderwunschbehandlung durchführt, zählt das nicht als Social Freezing, sondern als sogenanntes Medical Freezing und das öffnet Türen für Kostenübernahmen: In meinem Fall wurden alle Behandlungskosten (Beratungstermine, OP, Anästhesie etc.) zu 100% übernommen. Auch die Konservierung der Eizellen (rund 300 Euro pro Jahr) erstattet mir meine Krankenkasse, die Barmer (wobei ich mir nicht sicher bin, ob das alle Krankenkassen so machen). Die Medikamente für die Hormonbehandlung dagegen muss man selbst tragen. Das waren immerhin knapp über 1000 Euro. Da ich unglücklicherweise kurz vor meinem Befund meinen Job gekündigt hatte, waren das für mich Kosten, die sich nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln ließen. Ich bin sehr privilegiert und dankbar, weil meine Eltern diese Kosten für mich übernommen haben.
Heikel sind aus meiner Sicht aber vor allem die Regelungen zur Kostenübernahme für die spätere Nutzung der eingefrorenen Eizellen. Hier übernehmen die Kassen 50% der Kosten, wenn man unter 40 und verheiratet ist. Ich wüsste wirklich gerne, wie diese Regelung zustande gekommen ist und begründet wurde. Dass die Erfolgschancen höher sind, je jünger man ist, leuchtet mir ein, aber wieso ich verheiratet sein muss, um meine eigenen Eizellen, die aus medizinischen Gründen entnommen werden mussten, zu nutzen, verstehe ich nicht.
Erkrankt man als junge Frau, ist der Kinderwunsch womöglich noch gar nicht ausgereift – und plötzlich steht man vor so einer lebenswichtigen Entscheidung. Was hat die Diagnose in Bezug auf deine Gedanken hinsichtlich des Kinderwunsches gemacht
Leider hat die Diagnose mich nicht sicherer gemacht. Ich weiß immer noch nicht, ob ich später einmal Kinder haben möchte. Vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht, weil auch die eingefrorenen Zellen keine Garantie sind. Mit meinen 9 Eizellen habe ich, meinte meine behandelnde Ärztin vom Reproduktionszentrum, statistisch gesehen eine 60%-ige Erfolgschance, ein Kind zu bekommen. Das ist ok, aber auch nicht super. Momentan bin ich aufgrund meiner Antihormonbehandlung, die Teil meiner Krebstherapie ist, für die nächsten 5 Jahre in den Wechseljahren. Wenn alles vorbei ist, bin ich 38. Wer weiß: Vielleicht kann ich dann sogar ohne die eingefrorenen Eizellen noch schwanger werden. Vielleicht hat sich mein unklarer Kinderwunsch bis dahin aber auch in ein klares „Nein“ verwandelt. Ich weiß es schlichtweg nicht. Aber die Diagnose hat mich auf jeden Fall dazu gezwungen, mich für oder gegen eine vorsorgliche Eizellentnahme zu entscheiden und das war, im Rückblick, für mich persönlich sehr gut und entlastet mich.
Abschließend: Welchen persönlichen Tipp würdest du jungen erkrankten Frauen mit Kinderwunsch mitgeben?
Mit Tipps tue ich mir in diesem Fall sehr schwer. Tipps in medizinischen Fragen sollten nur Ärzte geben. Und damit wäre auch schon der einzige Tipp, der von mir kommen darf, genannt: Geht zu euren Ärzten, lasst euch aufklären, im Zweifel mehrfach, bis ihr alles verstanden habt und die für euch richtige Entscheidung treffen könnt.
Mehr von Laura könnt ihr auf ihrem Blog lesen: https://laura-fazio.de/
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