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Brustkrebsdiagnose und Partnerschaft: Wege zur Unterstützung und Balance finden

Hat der Arzt die Diagnose Krebs gestellt, steht die Welt erst mal Kopf – und das nicht nur für die Betroffene, sondern auch für ihren Partner oder ihre Partnerin. Denn durch eine Krebserkrankung können sich die Partner ebenso betroffen und belastet fühlen wie die Erkrankten. Wir erklären in unserem Artikel, wie Paare trotz der Erkrankung eine gute Balance im Alltag finden können, welche Formen der Unterstützung möglich sind und was die Erkrankung für die Sexualität und den gemeinsamen Kinderwunsch bedeutet .

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Prof. Dr. Pia Wülfing

21.01.2023

Inhaltsverzeichnis

Neue Balance als Paar finden

Dinge, die vorher im Alltag des Paares eine wichtige Rolle gespielt haben, rücken plötzlich in den Hintergrund. Gemeinsame Pläne wie Urlaub, Umzug oder Familie müssen vorerst auf Eis gelegt werden und Krankheit und Therapie nehmen einen großen Teil im Leben der Betroffenen ein.

Kreisen die gemeinsamen Gesprächsthemen nur um Ängste und Sorgen, kann die Stimmung in einer Beziehung irgendwann kippen, die Balance ist dahin. Wichtig ist es jetzt, dass Sie die Grenzen erkennen, darüber reden und sich Hilfe holen, wenn diese Grenzen überschritten werden und die Partnerschaft zur Belastung wird“, erklärt Gynäkologin und PINK!-Gründerin Prof. Dr. Pia Wülfing.

Externe Unterstützung in Form einer Paartherapie, einer Selbsthilfegruppe oder dem Gespräch mit Freunden kann dem Partner den Anstoß geben, auch sich selbst nicht zu vernachlässigen und Grenzen zu kommunizieren und einzuhalten.

Tipps für die Zeit nach der Diagnose

  • Miteinander sprechen: Ein offener Umgang mit dem Partner in Bezug auf die Diagnose, Ängste, Unsicherheiten, Bedürfnisse und Erwartungen kann beide Partner in der Beziehung entlasten. Gespräche über Sorgen und Ängste stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Beziehung, räumen Missverständnisse direkt aus dem Weg und führen dazu, dass sich keiner der Partner alleingelassen fühlt.
  • Sich Hilfe holen: Sind die Unsicherheiten zu groß, kann auch Unterstützung von außen eine große Hilfe darstellen. Zum Beispiel durch den Besuch eines Paartherapeuten oder Psychoonkologen. Letztere sind auf die Betreuung von Krebspatienten und deren Angehörige spezialisiert und begleiten sie durch die Therapie und Nachsorge. Patientinnen und ihre Angehörigen lernen durch eine psychoonkologische Therapie, ihre eigenen Ressourcen zu stärken und zu nutzen, um besser mit Sorgen, Ängsten und Trauer umgehen zu können – und den Alltag trotz Krankheit gut zu meistern.
  • Aktiv in die Krankheit mit einbringen: Die Diagnose Brustkrebs lässt Betroffene, aber auch deren Partner oftmals mit jeder Menge Unsicherheiten zurück. Viele Menschen fühlen sich hilflos und geradezu ohnmächtig. Um dieses Gefühl des Kontrollverlustes zu steuern, kann es helfen, sich über die Krankheit zu informieren, Fakten zu sammeln und aktiv Fragen zu stellen. Infos zu Brustkrebs gibt es nicht nur im Internet, sondern auch bei Beratungsstellen, Psychoonkologen und Ärzten. Auch die Begleitung zu Arztterminen stellt eine große Unterstützung für Betroffene dar. Denn wenn der erste Schock der Diagnose noch tief sitzt, ist es ihnen ist oftmals gar nicht möglich, alle Informationen aufzunehmen.
  • Gemeinsam den Alltag neu organisieren: Durch die Diagnose und Therapie ändert sich auch der gewohnte Alltag der meisten Paare. Sei es in Bezug auf den Haushalt, Kinderbetreuung oder Arbeit. Jetzt gilt es, sich als Paar zu entlasten und mögliche Formen der Unterstützung in Erwägung zu ziehen. Dazu zählen Kinderbetreuung, Putz- und Einkaufshilfen oder Hilfe bei Behördengängen. Auch der Familien- oder Freundeskreis nimmt Betroffenen die eine oder andere Aufgabe gerne ab. Paare sollten sich deshalb nicht scheuen, ihre Liebsten um Hilfe zu bitten, denn das kann auch der Partnerschaft gut tun.

Sexualität

Die Diagnose Brustkrebs beeinflusst auch die Sexualität: Vor allem die Selbstwahrnehmung und das Körperbild der Patientinnen verändern sich. Durch den Verlust der Haare, der Amputation der Brust oder dadurch entstandene Narben fühlen sich viele Frauen ihrer Weiblichkeit beraubt und alles andere als begehrenswert.

Dazu kommt, dass die Chemotherapie an den Kräften zehrt. Die Patientinnen fühlen sich müde und abgeschlagen, haben Schmerzen ­– das Verlangen nach Intimität und Nähe lässt nach. Betroffene brauchen jetzt vor allem Zeit und viel guten Zuspruch vom Partner, um wieder Vertrauen in ihren Körper zu finden und zu akzeptieren, dass sie trotz der körperlichen Veränderung der gleiche liebenswerte und begehrenswerte Mensch sind und sich an den Gefühlen des Partners durch die Erkrankung nichts geändert hat. Zeit und Geduld sind hier die Schlüssel zum Glück, keinesfalls sollte gedrängt oder Druck aufgebaut werden, um Intimitäten zu erzwingen.

Abnahme der Libido: Das sind die Gründe

Nicht nur die psychischen Belastungen und körperlichen Veränderungen, die mit Diagnose und Therapie einhergehen, können zu einem Libidoverlust führen. Durch die Therapien – wie Hormonersatz- oder Chemotherapie – können teils starke Nebenwirkungen auftreten und das Hormonsystem aus dem Gleichgewicht bringen. Dadurch kommt es zu typischen Wechseljahresbeschwerden, zu denen unter anderem trockene und gereizte Scheidenschleimhäute und ein Verlust der Libido zählen.

Im Falle einer unzureichenden Befeuchtung der Scheide schafft die Verwendung wasserbasierter Gleitgele oder Cremes oftmals Abhilfe. Sofern kein östrogenabhängiger Tumor vorliegt, kann auch eine Behandlung mit einer östrogenhaltigen Salbe in Erwägung gezogen werden. Sie fördert die Durchblutung des Vaginalbereichs, was dazu führt, dass sich ein Film auf der Vaginalschleimhaut bildet.

Das Erlernen von Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Progressive Muskelentspannung fördert die allgemeine Entspannung und kann dadurch auch Schmerzen beim Sex reduzieren.

Ist das veränderte Körperbild durch die Folgen der Therapie Grund für den Libidoverlust und belastet das Patientinnen stark, sollten sie überlegen, sich psychologische Unterstützung (zum Beispiel bei einem Psychoonkologen) zu suchen. Durch die gemeinsamen Gespräche lernen Betroffene, wie sie sich wieder wohler in ihrem Körper fühlen.

In erster Linie sollten sich Paare aber genug Zeit lassen, um sich mit der neuen Situation vertraut zu machen, und nichts erzwingen. Zur Sexualität gehört nicht bloß der reine Geschlechtsverkehr. Falls sich Patientinnen bei dem Gedanken an Sex unbehaglich fühlen, können auch andere erotische Begegnungen für intime Nähe sorgen. Der Austausch in guter Atmosphäre über die gegenseitigen Fantasien kann zu überraschenden Erkenntnissen führen und das sexuelle Miteinander ganz neu beleben. Der Sex während und nach der Behandlung wird also vielleicht anders sein als vorher, das sagt aber nichts über die Zuneigung zueinander aus.

Familienplanung

Ein weiterer Punkt, der die Partnerschaft stark belasten kann: Vor allem jüngere Patientinnen im gebärfähigen Alter und deren Partner treibt oft die Frage um, ob sie jemals Kinder bekommen können. Schließlich müssen sie die Familienplanung erst mal auf Eis legen und der Therapie den Vortritt lassen.

Eine Chemotherapie führt zu einem Follikelverlust in den Eierstöcken. Die Funktion der Eierstöcke wird dadurch frühzeitig eingestellt und für einen späteren Zeitpunkt stehen keine Follikel mit befruchtungsfähigen Eizellen mehr zur Verfügung.

„Paare mit Kinderwunsch sollten deshalb so früh wie möglich nach Diagnosestellung Beratungsangebote annehmen, denn in vielen Fällen ist es nach der Krebserkrankung dennoch möglich, eine Familie zu gründen“, so Wülfing.

Fertilität auch nach der Behandlung erhalten

  • Um ihre Fertilität zu erhalten, können sich Betroffene vor der Behandlung reife Eizellen entnehmen lassen. Diese werden dann tiefgefroren (Kryokonservierung genannt) und den Betroffenen nach Beendigung der Therapie wieder eingesetzt. Dazu werden vor Beginn einer Chemotherapie die Eierstöcke durch Hormone stimuliert und zum Zeitpunkt vor der möglichen Ovulation durch eine Punktion der Follikel die Eizellen gewonnen. Die Eizellen können dann mit den Samenzellen zusammengebracht und kurz vor der Befruchtung (im sogenannten Vorkernstadium) eingefroren werden. Die Erfolgsrate einer Schwangerschaft nach Kryokonservierung liegt bei 20 bis 35 Prozent pro Transfer und unterscheidet sich damit kaum von der gesunder Kinderwunschpatientinnen.
  • Auch die Einnahme bestimmter Medikamente (GnRH-Analoga) kann die Funktion der Eierstöcke unter der Chemotherapie schützen und dafür sorgen, dass es nach der Therapie wieder zu Eisprüngen kommt. Allerdings sind die Erfolgsraten einer Schwangerschaft beim medikamentösen Weg noch nicht besonders zufriedenstellend und die Wissenschaft befindet sich bei diesem Thema noch am Anfang.
  • Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren sollten Patientinnen während der fünfjährigen Antihormonbehandlung nicht schwanger werden, da das Medikament zu Fehlbildungen beim ungeborenen Kind führen kann. Besteht während der Therapie ein Kinderwunsch, können Patientinnen die Einnahme während der Behandlung unterbrechen, sollten sie aber nach spätestens zwei Jahren wieder aufnehmen. Solche Entscheidung müssen immer mit dem behandelnden Ärzteteam besprochen werden. Sichere wissenschaftliche Erkenntnisse liegen aber auch dazu (noch) nicht vor.

Eine Herausforderung für Partnerschaften, die Chancen zur Vertiefung bietet

Die Diagnose Brustkrebs kann eine Beziehung zunächst auf die Probe stellen. Denn die Bewältigung dieser Krankheit ist nicht nur eine individuelle Herausforderung für Betroffene, sondern beeinflusst oftmals auch das Fundament der Partnerschaft. Und trotzdem kann die Diagnose Paaren auch die Möglichkeit bieten, ihre Bindung zu vertiefen und gemeinsam nach Wegen zu suchen, um gestärkt aus dieser Herausforderung hervorzugehen. Sich einen gegenseitigen Raum für Emotionen zu schaffen, ganz offen miteinander zu kommunizieren und gemeinsam Ressourcen und Unterstützung von Außenstehenden zu finden, sind wichtige Bausteine, um gemeinsam als Paar die Brustkrebserkrankung durchzustehen. Junge Patientinnen mit Kinderwunsch sollten zudem darauf achten, vor Beginn der Behandlung mit ihren Ärzten über die Möglichkeit des Fertilitätserhalts zu sprechen. Denn aufgrund moderner Methoden ist heutzutage auch nach einer Krebstherapie die Familienplanung noch möglich.

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