Wann hast du die Diagnose metastasierter Brustkrebs erhalten und wie hat sich dein Alltag seit der Diagnose verändert?
„Sie haben Krebs“ sind mitunter die drei schlimmsten Worte, die man hören kann. Plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. Kein Stein bleibt auf dem anderen; die eigene kleine Welt findet sich in Schutt und Asche wieder.
Meine Diagnose kam 2013 – da war ich 38 – aus dem Nichts und hat mir sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Mein winziges Mammakarzinom hatte bereits in die Leber und in die Knochen gestreut. Das alles ohne genetische Vorbelastung und trotz regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen. Prognostizierte Durchschnittsüberlebenszeit: zwei Jahre. 2018 wurden zudem Bauchfell-Metastasen festgestellt.
Meinen früheren „Alltag“ – ich war Journalistin – gibt es nicht mehr. Ich habe nun meinen Fokus voll und ganz auf Brustkrebsaktivitäten gerichtet und brenne für meine Aufgabe. Ich will aus meiner Krankheit Positives schöpfen, möchte Brustkrebsaktivistin, PatientInnenvertreterin und Bloggerin sein. Schreiben ist für mich Teil meines Verarbeitungsprozesses und so habe ich 2016 unter „Claudias Cancer Challenge“ meinen Blog auf Facebook und auf Instagram gestartet.
Ich will Betroffene an der Hand nehmen, sie unterstützen und begleiten und sie an meiner Erfahrung teilhaben lassen.
Was waren die größten Herausforderungen, denen du dich nach der Diagnose stellen musstest?
Ich bin durch verschiedene Phasen gegangen: Zuerst war da diese fürchterliche Schockstarre, in der ich wie in einem dichten Nebel agierte. Dann kam die unbändige Angst, die mir die Luft zum Atmen raubte. Darauf folgte eine Zeit des Haderns nach dem Motto: „Warum passiert das ausgerechnet mir?“ Diese ging langsam über in eine Akzeptanz der Situation, die ich ohnehin nicht ändern konnte. Und daraus entstand die Kraft, den Blick wieder nach vorne zu richten und meinen Weg weiterzugehen.
Die Herausforderungen für uns metastasierte Patientinnen würde ich wie folgt zusammenfassen: Wir …
Ja, der Rucksack, den wir ungewollt umgeschnallt bekommen haben, wiegt schwer!
Welche Behandlungsoptionen hast du bisher ausprobiert?
Mein Therapiemarathon ist lange und dauert bis zum heutigen Tag und darüber hinaus an. Ich möchte Euch damit nicht langweilen – deshalb nur kurz:
3 Leber-Teilresektionen, 1 Ablatio in der Leber, 1 HIPEC (Bauchfell-OP samt Chemo), mehrere Chemos, verschiedene Antihormon- und Antikörpertherapien, Bestrahlungen, CDK4/6-Inhibitor, Knochenaufbauspritzen usw.
Wie lebst du aktuell mit der Diagnose?
Das Leben ist härter, schwieriger und kürzer geworden, aber auch intensiver, bunter und genussvoller.
In den vergangenen elf Jahren gab es zahlreiche Hochs und Tiefs, gute und schlechte Untersuchungsbefunde, inspirierende Begegnungen und interessante Erkenntnisse; aber auch schlimme Schockerlebnisse und niederschmetternde Diagnosen.
Das Leben mit Krebs ist wie eine Achterbahnfahrt. Mal geht’s steil bergauf und dann rast man wieder flott nach unten. Mein Umgang besteht darin, zu versuchen, mich an den schönen Dingen des Lebens zu orientieren und die Balance nicht zu verlieren. Ich setze mir Fixsterne am dunklen Krankheitsfirmament (Urlaube, Konzerte, Treffen) und tue alles, um diese Sterne auch tatsächlich zu erreichen. Ich habe gelernt, das Positive in all dem Negativen zu erkennen; mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und den Augenblick zu schätzen.
Welche Rolle spielt dein persönliches Umfeld beim Umgang mit der Krankheit?
Was wäre ich ohne meine Herzensmenschen? Allen voran mein Mann Peter – mein Fels in der Brandung. Er hat während der letzten elf Jahre meine Hand gehalten, mit mir Entscheidungen getroffen, in jeder Lebenslage das Positive hervorgekehrt, hat mit mir geweint und gelacht, mich abgelenkt und ist mit mir zu neuen Abenteuern aufgebrochen. Ich kann aus voller Überzeugung sagen: „Peter ist der beste Mann der Welt!“
Auch meine fürsorgliche und motivierende Mama, meine Familie und FreundInnen schenkten mir in schwierigen Momenten Mut und Balance. Für dieses „soziale Netz“, in das ich mich fallen lassen kann, bin ich unendlich dankbar.
Welche Rolle spielt mentale Gesundheit in deiner Behandlung und welche Strategien nutzt du, um mental stark zu bleiben?
Wie geht’s nun mit mir weiter? Welche Therapie gibt es für mich? Verliere ich meine Haare? Muss ich sterben? Tausend Fragen drehen sich im Kopf. Man ist heillos überfordert, ängstlich und planlos und findet sich in einer neuen, harten Cancer Reality wieder.
Deshalb würde ich allen Betroffenen eine psychoonkologische Begleitung ans Herz legen. Ja, der Körper ist medizinisch bestimmt hervorragend versorgt, aber auch Geist und Seele brauchen Unterstützung in diesen schwierigen Zeiten. Es ist keine Schande, sich das einzugestehen – ganz im Gegenteil: Es zeugt von Reflektiertheit. Angst und Traurigkeit sind wichtig – diese Gefühle muss man ebenfalls zulassen. Mental Health nimmt einen immer höheren Stellenwert ein – und das ist gut so!
Hier kann ich aus eigener Erfahrung den PINK Coach nur wärmstens empfehlen. Darin gibt’s Anleitungen zu geführten Meditationen und Achtsamkeitsübungen, ExpertInnentipps für einen besseren Umgang mit Diagnose und Therapie uvm. Ein Rundum-Wohlfühlpaket, das einen durch eine schwierige Zeit trägt. Denn: Ein starkes Mindset ist in jeder Lebenslage hilfreich.
Mein Mantra war stets: „Akzeptiere, was Du nicht ändern kannst und mache das Beste draus!“
Welche Ziele und Hoffnungen hast du für die Zukunft?
Ich habe stets folgende Metapher im Kopf: „Der Krebs ist mein Beifahrer – ich werde ihn nicht mehr los. Aber ich sitze hinter dem Steuer und gebe die Richtung und das Tempo vor. Solange es noch geht“. Das beschreibt wohl am besten, wie sich mein Leben mit fortgeschrittenem Brustkrebs anfühlt.
Meine Ziele und Hoffnungen? Es gibt noch jede Menge zu erfahren, erleben und erreichen. Ich möchte quality time mit meinen Lieben verbringen, Reisen in verschiedene Länder unternehmen und mit meinem Brustkrebsengagement anderen PatientInnen helfen.
Wie es weitergeht? Die Zukunft wird es zeigen. Ich will leben – und das möglichst gut und lange. Mit jeder Menge Zuversicht. Und: Ich will – wie wir alle – Spuren hinterlassen. Tiefe und erkennbare.
Wie wichtig ist Aufklärung über metastasierten Brustkrebs für dich?
Metastasierte PatientInnen sind oft „unsichtbar“. Der (mediale) Scheinwerfer fällt meist auf zwei Gruppen: die Survivor – jene, die den Krebs „besiegt“ haben, und die Verstorbenen – jene, die leider ihren letzten Weg antreten mussten. Wir aber, die wir mit Krebs als chronischer Krankheit leben müssen, werden häufig übersehen. Obwohl unsere Gruppe – dank neuer wirksamer Medikamente – stetig anwächst.
Zudem wissen viele Menschen nicht, dass es sich um eine unheilbare Krankheit handelt und welch große Herausforderungen damit verbunden sind. Gerade was Information und Aufklärung betrifft, leistet PINK hier einen unschätzbar wertvollen Beitrag. Ihr präsentiert auf Eurer Plattform evidenzbasiertes Wissen und begleitet kompetent und menschlich. In Zeiten von Digital Health unerlässlich!
Was wir als metastasierte PatientInnen brauchen, ist Sichtbarkeit, Verständnis und Unterstützung!
Welche Unterstützung wünschst du dir von deinen Mitmenschen, der Gesellschaft und dem medizinischen Umfeld?
Ganz generell wünsche mir einen völlig normalen Umgang – soweit wie möglich. Weder ein vollkommenes Zurückziehen noch ein übertriebenes Fürsorglichsein empfinde ich als angebracht. Wie so oft: Der goldene Mittelweg macht‘s.
Die Krankheit als alles beherrschendes Thema in jeglicher Kommunikation ist mir genauso wenig angenehm wie ein völliges Totschweigen. Ich mag einen Einstieg mit: „Darf ich Dich fragen, wie’s Dir geht, oder magst Du heute eher nicht darüber sprechen?“
Ich erzähle grundsätzlich gerne und freue mich, wenn es Menschen gibt, die mir zuhören und sich für mich interessieren. Wichtig ist mir von Seiten der Angehörigen und FreundInnen einzig und allein, das Gefühl vermittelt zu bekommen: „Ich bin für Dich da, wenn Du jemanden brauchst!“
Alle, die mich in den letzten Jahren begleitet haben, sind meine persönlichen HeldInnen. Ihnen sage ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön! Ihr seid meine Community!
Was das ÄrztInnenteam betrifft, so sollte dieses über fundiertes Wissen bezüglich dem neuesten Stand der Forschung und Empathie im Umgang mit PatientInnen verfügen. Ich darf mich da glücklich schätzen, dass meine ÄrztInnen all das auf großartige Weise vereinen.
Zum Abschluss: Was möchtest du anderen in einer ähnlichen Situation mitgeben?
Ich habe mir meine eigene Resilienz-Strategie entwickelt, nach der ich lebe.
All das hat mir stets gutgetan und hat meinen Motor am Laufen gehalten. Und ich hoffe, ich kann damit auch andere Patientinnen inspirieren und ihnen Inputs mit auf den Weg geben.