Okka Gundel ist Journalistin und Fernsehmoderatorin und einem großen Publikum aus verschiedenen Sendungen der ARD wie den ‚Tagesthemen‘, der ‚Sportschau‘ und dem ‚Morgenmagazin‘ bekannt. Aufgrund ihrer Brustkrebsdiagnose Anfang 2020 und der anschließenden Therapie musste die 47-Jährige gezwungenermaßen über mehrere Monate vom Bildschirm verschwinden. Heute steht sie nicht nur wieder vor der Kamera, sondern sensibilisiert als PINK!- Botschafterin auch für das Thema Brustkrebs.
Wie sie sich im Laufe der Behandlung ihre Normalität zurück erobern konnte, wer und was sie auf ihrem Weg am meisten unterstützt hat und welche Auswirkungen die Diagnose auf ihr Familienleben hatte, verriet sie PINK! im Interview.
Okka, was war dein erster Gedanke, als du von der Brustkrebsdiagnose erfahren hast?
Okka Gundel: Mein erster Gedanke war: es ist kein Wunder passiert. Denn schon in dem Moment, als ich den Knoten ertastet hatte, sagte mir meine Intuition, dass es Brustkrebs ist. Und doch hoffte ich bis zuletzt auf ein Wunder. Auf dieses eine Wunder. Als es ausblieb, fühlte ich mich in gewisser Weise bestätigt und irgendwie auch erleichtert, weil dieser Zwischenzustand zwischen Hoffen und Bangen endlich vorbei war.
Fühltest du dich im Moment der Diagnose von deinem Arzt gut abgeholt?
Nein. Die Radiologin, die mir die Diagnose mitgeteilt hat, war nüchtern, kühl und sachlich. Ihre Schnörkellosigkeit und ihr Schweigen waren mir fast peinlich. Auch wenn es ihr Beruf ist und sie sich tagtäglich in solchen Situationen wiederfindet, sollte bei allen technischen Details auf der menschlichen Ebene ein Fünkchen Mitgefühl mitschwingen. Abgesehen von der Situation bei der Diagnose hatte ich allerdings das große Glück, dass mich sehr empathische Ärzte begleitet und betreut haben, denen ich absolut vertraut habe.
Und wer und was hat dich in der Zeit der Diagnose und Behandlung noch unterstützt und begleitet?
Meine Familie und meine Freunde – viele Menschen waren für mich da. Das war ein großes Glück. Ich habe mir oft alleinstehende oder auch alleinerziehende Frauen vorgestellt und darüber nachgedacht, wie schwer es für sie sein muss. Ganz anders geholfen – professionell – hat mir meine Psychoonkologin. Bei ihr konnte ich in einem geschützten Raum frei über alle meine Ängste und Sorgen sprechen. Sie hat mich zielsicher und vorausschauend durch die lange Zeit der Therapie navigiert. Jede Woche war ich bei ihr. Durch sie war ich auf alle Tiefen, aber auch Höhen (die gibt’s tatsächlich auch) vorbereitet. Das hat mir Sicherheit zurückgegeben in einer Phase meines Lebens, in der ich zutiefst verunsichert war. Auch tägliche Spaziergänge in der Natur sind für mich damals zu einem Ritual geworden. Egal, wie schlecht es mir ging, danach fühlte ich mich immer besser.
Haben sich Verwandte oder Freunde von dir abgewandt, als sie von deiner Erkrankung erfahren haben, und wie bist du damit umgegangen?
Bewusst abgewandt hat sich niemand. Und doch können die einen besser und die anderen schlechter eine solche Situation aushalten. Menschen sind verschieden. Was mich tatsächlich gestört hat, waren so lapidare Sätze wie: ,,Ach, Brustkrebs ist doch gut heilbar. Das wird schon!“. Solche Phrasen fand ich persönlich unangebracht. Es bagatellisiert alles, worauf man sich einlassen muss. Die starke psychische Belastung, die Diagnostik und die Fehlersuche durch den ganzen Körper, das Einpflanzen des Ports, die Chemo und ihre Nebenwirkungen, die Operation etc. Ich selbst habe früher auch genau solche Sätze gesagt. Mit meiner Erfahrung und meinem Wissen von heute schäme ich mich fast dafür. Auch zu meiner Mutter, die 2017 die Diagnose Brustkrebs bekam, habe ich solche Sätze gesagt. Grundsätzlich habe ich mich auf die Menschen konzentriert, die mir gut taten. Und das habe ich auch beibehalten. Als besonders wertvoll habe ich Freunde empfunden, die auch an düsteren Tagen für mich da waren. Solche Tage gibt es auch heute noch, auf der mentalen Ebene. Das ist ja nicht plötzlich einfach vorbei. So eine Erkrankung zieht nach.
Welche zusätzlichen Auswirkungen hatte Corona zum Zeitpunkt deiner Diagnose und Behandlung auf dich und deine persönliche Situation?
Es brach bei uns dann einfach mal alles zusammen. Ich in der Chemo, meine Kinder im Homeschooling, mein Mann im Homeoffice, der auch sonst alles übernehmen musste. Einkaufen, kochen, die Wäsche. Das war eine extreme Belastung für uns alle. Auf Abstand zu den Kindern zu gehen, hat mich besonders traurig gemacht. Ich habe ihnen lange Zeit nur Küsschen auf den Nacken gegeben, quasi ohne Körperkontakt. Auch auf dem Sofa lagen wir auf Abstand, Fuß an Fuß. So haben wir uns zumindest ein bisschen berührt. Das oberste Ziel war, mich nicht mit Corona zu infizieren, damit die Therapie weitergehen kann. Zu allen Arztterminen und Behandlungen in der Klinik musste ich wegen Corona auch alleine gehen.
Wie hast du die Erkrankung deiner Familie und deinen Kindern beigebracht?
Erst als die komplette Diagnostik abgeschlossen war, habe ich es den Kindern gesagt. Meine Hoffnung war, ihnen die schlimme Nachricht mit einer guten Botschaft mitteilen zu können. Da keine Metastasen gefunden wurden, konnte ich ihnen sagen, dass ich, wenn die Therapie anschlägt, auch wieder ganz gesund werden kann. Wir saßen damals alle zusammen am Küchentisch. Als ich das Wort ‚Brustkrebs‘ sagte, fingen alle drei sofort an zu weinen. Danach ist jedes Kind anders damit umgegangen. Ich bin wahnsinnig stolz, wie die drei das geschafft haben. Es gehört jetzt zu ihrem Leben dazu und ist natürlich nie vorbei. Wie schlimm es für sie war, merke ich auch jetzt immer wieder oder vielleicht sogar noch mehr als in der akuten Phase der Therapie. Angst vor Krankheiten, Angst vor dem Sterben, Verlustängste, etc. Das sind Themen, die ganz tief in ihnen schlummern. Offen darüber reden hilft am besten, das ist zumindest meine Erfahrung.
Inwieweit hat die Diagnose euer Familienleben verändert?
Auch als Familie freuen wir uns mehr über die kleinen Dinge. Wir alle haben ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass es jedem gut geht. Ansonsten rege ich mich mittlerweile wieder über die gleichen Sachen auf wie vorher – das werte ich mal als gutes Zeichen. Insgeheim und innerlich rege ich mich allerdings anders auf als zuvor: mit mehr Gelassenheit. Aber das verrate ich natürlich keinem (lacht)
Welche Rolle bei der Genesung hat die Vorstellung/der Wunsch gespielt, wieder in deinen Job zurückzukehren?
Ich habe meinen Beruf immer geliebt. Und noch ein bisschen mehr, als ich ihn dann nicht mehr ausüben konnte. Die Sehnsucht, wieder vor die Kamera zurückzukehren, war immer da. Auch als ein Stück Normalität. Es war eines der Ziele, das mich motiviert und angetrieben hat, durchzuhalten. Manchmal kam es mir weit weg vor, aber ich habe es nie aus den Augen verloren.
Wie wird die Erkrankung Einfluss auf deine Zukunft haben – lebst du bewusster, bist du dankbarer, ängstlicher?
Mich umspült eine große Demut vor dem Leben, immer mal wieder und in ganz unterschiedlichen Situationen. Meistens sind es sogar ganz kleine, banale Dinge, die ich heute noch intensiver wahrnehme als früher. Oft in der Natur. Und ich führe ein noch echteres Leben als zuvor. Ich konnte mich noch nie gut verstellen. Mit der Erfahrung meiner Brustkrebserkrankung versuche ich das auch erst gar nicht mehr.
Wie hat dich die Erkrankung und der Kampf gegen den Krebs verändert?
Vielleicht kann ich es so sagen: Es gab noch nie so viel Okka Gundel wie jetzt. Die Erkrankung hat mich in gewisser Form näher zu mir selbst gebracht. Ich habe mich nochmal kennengelernt. Nicht neu, eher anders, mich selbst erkannt. Das bringen Krisen und Grenzerfahrungen ja oft mit sich. Sie helfen dabei, manche Dinge loslassen zu können, und andere anzunehmen. Dafür bin ich dankbar.
Was würdest du unseren Leserinnen mit auf den Weg geben wollen?
Erlaubt es euch, auch mal schwach zu sein. Ihr müsst nicht immer stark sein oder stark tun. Habt Mitgefühl mit Euch selbst! Das hat mir meine Psychoonkologin gesagt und es hat mich total entspannt.
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